Vorlesemonitor 2024: Jedem dritten Kind fehlen prägende Vorleseerfahrungen

| Pressemeldung

Ein Frau sitzt zwischen zwei Kindern auf einem Spielplatz. Sie hält ein Handy in der Hand, alle drei schauen auf das Display des Smartphones.

© Stiftung Lesen / Jonathan Kaiser

Pressemeldung - 2024 lesen wieder ähnlich viele Eltern vor wie vor Beginn der Covid-19-Pandemie. Das ist ein Ergebnis des Vorlesemonitors, der jährlichen Studie zum Vorleseverhalten in Familien mit 1–8-jährigen Kindern von DIE ZEIT, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung. Die Studie zeigt im Vergleich zu 2023 eine leichte Verbesserung der Vorlesesituation. Doch noch immer bekommt jedes dritte Kind nicht vorgelesen. Dazu können Eltern, die nicht vorlesen, nach eigenen Aussagen nur selten einschätzen, ob ihr Kind Schwierigkeiten mit dem Lesenlernen hat oder nicht. Sprich: Kindern ohne Vorleseerfahrung fällt nicht nur das Lesenlernen schwerer, sie erhalten aus Unwissenheit womöglich auch nicht die nötige Unterstützung, denn besonders vielen Kindern zwischen 5 und 7 Jahren wird selten oder nie vorgelesen. Der Vorlesemonitor 2024 zeigt aber auch: Ein modernes Verständnis von Vorlesemedien und der ergänzende Einsatz von digitalen Alternativen können Hemmschwellen abbauen und Eltern zum Vorlesen ermutigen.

Der Vorlesemonitor flankiert seit 2007 als etablierte Bildungsstudie den Bundesweiten Vorlesetag – den größten Aktionstag, der auf die Wichtigkeit des Vorlesens aufmerksam macht. Für die Studie wurden in diesem Jahr 815 Eltern von 1–8-jährigen Kindern zu ihrem Vorleseverhalten befragt. Obwohl sich die Zahlen auf das Vor-Pandemie-Niveau erholt haben, besteht Grund zur Sorge: Vor allem bei den ganz kleinen Kindern, die noch nicht in die Kita gehen, und bei den älteren Kindern, die gerade mit dem Lesenlernen beginnen, fehlt es an Vorleseimpulsen in der Familie. Diese Phasen sind jedoch wichtig, um Grundlagen zu schaffen und die Lesemotivation im Grundschulalter zu erhalten und zu fördern – denn Lesenlernen ist komplex und kann schnell frustrieren. In jeder dritten Familie wird aber nicht oder nur selten vorgelesen. Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, fordert daher eindrücklich: „Wir als Gesellschaft brauchen ein allgemeines Verständnis darüber, wie wichtig das Vorlesen für die Entwicklung ist. Hier geht es nicht nur um tolle Geschichten und verbindende Momente, sondern um Zukunftschancen für alle Kinder. Es darf nicht sein, dass der Bildungserwerb abhängig davon ist, ob die eigenen Eltern unterstützen können. Freiwillig Engagierte können hier einspringen und mit ihrem Einsatz einen echten Unterschied machen.“ Der Bundesweite Vorlesetag am 15. November ist die perfekte Gelegenheit, um in ein Vorleseengagement zu starten und das Bild des Vorlesens entscheidend mitzuprägen.

Mit digitalen Medien neue Rituale schaffen

Vor allem Eltern mit formal niedriger Bildung lesen weniger vor als der Durchschnitt aller Eltern – Anlässe gäbe es aber genug. Die Befragung zeigt, dass Familien, in denen nicht vorgelesen wird, oft nur wenige Kinderbücher besitzen (29 Prozent der befragten Familien haben weniger als 10 Kinderbücher). In fast jedem Haushalt gibt es aber Smartphones oder Tablets – und die werden von 43 Prozent der Eltern bereits für Kinderapps genutzt. Vor allem zum Spielen oder zum selbstständigen Lernerwerb, aber immerhin von einem Viertel bereits auch zum Vorlesen. Darüber freut sich Tobias Geiger, Vorsitzender Geschäftsführer der Deutsche Bahn Stiftung: „Kinder lernen, dass man das Smartphone für ganz unterschiedliche Zwecke nutzen kann: zum Kommunizieren, Videos schauen oder eben auch zum Lesen spannender Geschichten. Denn Vorlesen kann überall passieren und das Handy haben die meisten Menschen immer griffbereit.“ Gedruckte Bücher und digitale Medien gegeneinander auszuspielen, ist aus Sicht der Stiftung Lesen nicht hilfreich, sondern erzeuge lediglich Druck. Wichtig ist es vor allem, Kinder bei der Auswahl mitentscheiden zu lassen.

Lesen ist keine Einbahnstraße

Neben Befragungsergebnissen zum konkreten Vorleseverhalten von Eltern liefert der Vorlesemonitor viele weitere Einblicke in deren Sichtweisen und zeigt Gründe auf, warum Eltern nicht vorlesen. Diese beziehen sich häufig auf die Kinder selbst. Neben Stress und fehlender Zeit im Alltag geben die befragten Eltern an, ihre Kinder wollten nicht vorgelesen bekommen, seien zu unruhig oder beschäftigten sich lieber mit anderen Dingen. Dabei hat das Vorlesen nicht nur einen positiven Effekt für die Bindung zwischen Eltern und Kindern, es trainiert auch entscheidende Fähigkeiten für die Zukunft. „Kinder, die frühzeitig positive Vorleseerfahrungen machen, tun sich beim eigenen Leseerwerb und ganz grundsätzlich in allen Schulfächern leichter. Und wir wissen, dass diese Erfahrungen auch an die nächste Generation weitergegeben werden. Wer als Kind selbst vorgelesen bekommen hat, liest deutlich öfter selbst vor”, fasst Sandra Kreft, Mitglied der Geschäftsleitung der ZEIT Verlagsgruppe, ein weiteres zentrales Ergebnis des Vorlesemonitors 2024 zusammen. Statt zu versuchen, einen perfekten Rahmen für das Vorlesen zu schaffen, sollten Eltern sich einfach trauen und loslegen. Vorleserituale müssten keinen Anforderungen entsprechen, sondern Spaß machen und zu den eigenen Familienvorstellungen passen. Zudem können Kinder sich erst dann dafür begeistern, wenn sie Vorlesen einmal zu Hause erlebt haben.

Die Kernaussagen auf einen Blick

  • Anteil nicht vorlesender Eltern wieder auf Vor-Pandemie-Niveau: 32,3 Prozent der 1- bis 8-jährigen Kindern wird selten oder nie vorgelesen; 18 Prozent von ihnen nie. Besonders kritisch: In der Zeit vor der Kita und bei Schuleintritt wird selten bis nie vorgelesen.
  • Vor allem Eltern mit formal niedriger Bildung lesen selten oder nie vor: 37 Prozent seltener als einmal pro Woche.
  • Eltern, denen früher selbst vorgelesen wurde, lesen ihren eigenen Kindern häufiger vor – unabhängig vom Bildungshintergrund: 74 Prozent davon lesen mindestens mehrmals pro Woche.
  • Gründe, warum Eltern nicht vorlesen, werden häufig beim Kind oder in der eigenen Kindheit gesehen.
  • 43 Prozent der Eltern haben bereits Apps für Kinder genutzt – davon 26 Prozent zum Vorlesen.
  • 17 Prozent der Eltern, die selten oder nie vorlesen, können die Lesekompetenz ihrer Kinder nicht einschätzen (Vergleich: 4 Prozent der Eltern, die regelmäßig vorlesen)

Über den Vorlesemonitor

Seit dem Jahr 2022 läuft die Bildungsstudie unter dem Namen Vorlesemonitor und neuem Studiendesign: Ein jährlich vergleichbarer Fragenkatalog ermöglicht die Beobachtung von (Vor-)Leseverhalten bei Kindern im Alter von ein bis acht Jahren. Durch die Befragung von über 800 Eltern gibt der Vorlesemonitor Aufschluss über die Vorlesepraxis in Familien, zieht Rückschlüsse im Vergleich zu den letzten Jahren und analysiert Vorlesebiografien und Risikofaktoren, sowie den Einfluss der Verfügbarkeit von Vorlesestoff – sowohl in Bezug auf analoge als auch digitale Angebote. Die Ergebnisse des Vorlesemonitors sowie der letztjährigen Studien finden Sie unter: www.stiftunglesen.de/vorlesemonitor

Pressebild als Download ©Stiftung Lesen / Jonathan Kaiser

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